Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Simbabwe am 29. März versprechen spannend zu werden. Zum ersten Mal in seiner 28-jährigen Amtszeit hat Präsident Robert Mugabe gleich zwei ernstzunehmende Gegenkandidaten: den langjährigen Oppositionsführer Morgan Tsvangirai sowie einen Herausforderer aus den eigenen Reihen, Simba Makoni, ehemaliger Finanzminister. Damit scheint ein Wahlsieg Mugabes nicht mehr von vornherein garantiert zu sein – wie praktisch alle Beobachter noch vor wenigen Wochen angenommen hatten.
Der wichtigste Grund dafür, dass nach Jahren der Kritik am Regime Mugabe von Seiten der Opposition nun auch die Unzufriedenheit innerhalb der Regierungspartei ZANU-PF zugenommen hat, ist die massive ökonomische Krise, in der sich das Land befindet.
Inflationsrate: 150.000 Prozent
Simbabwe hat mit rund 150.000 Prozent die mit weitem Abstand höchste Inflationsrate der Welt, die Arbeitslosigkeit liegt bei 85 Prozent und die durchschnittliche Lebenserwartung ist auf 36 Jahre zurück gegangen.
In simbabwischen Städten ist fast alles knapp, was zum Leben notwendig ist: Nahrungsmittel, Medikamente, Strom, Wasser, Benzin. Die Supermärkte in den Städten bieten ein trauriges Bild: lange Gänge mit fast vollkommen leeren Regalen, in denen nur vereinzelt bestimmte Waren angeboten werden, die zufällig gerade verfügbar sind.
Vieles ist zwar auf anderen Wegen erhältlich, kaufen kann es aber nur, wer von Verwandten oder Freunden aus dem Ausland finanziell unterstützt wird – die meisten Menschen sind auf Tauschgeschäfte angewiesen. Glücklich schätzen sich die, die Zugang zu harter Währung haben – Benzin beispielsweise ist oft nur noch gegen US-Dollar zu haben.
Schattenwirtschaft und Seilschaften
Durch diese Mangelwirtschaft funktioniert gleichzeitig ein guter Teil des Systems der Machterhaltung, das Robert Mugabe über viele Jahre um sich herum aufgebaut hat: Ein bestimmter Kreis aus hohen Militärs und Regierungsmitgliedern hat Zugriff auf harte Währung und kann so durch halblegale und illegale Transaktionen von der fortgesetzten Hyperinflation profitieren.
Noch weitaus schlechter als der Stadtbevölkerung geht es den Menschen in abgelegenen ländlichen Gebieten, in denen nur selten das Lebensnotwendige gekauft oder eingetauscht werden kann.
Vielfach gibt es nicht einmal mehr genug Mais, um eine Grundversorgung zu garantieren – in einem Land, das vor nicht allzu langer Zeit als „Kornkammer des südlichen Afrika“ galt. Zu Beginn des Jahres waren über vier Millionen Simbabwer nicht in der Lage, sich ohne Hilfe von außen zu ernähren. Die Mangelernährung erhöht wiederum das Risiko, an einer der Folgekrankheiten von HIV/Aids zu sterben – die laut WHO häufigste Todesursache im Land.
Gründe für die Nahrungsmittelknappheit sind zum einen der Zusammenbruch der kommerziellen Landwirtschaft als Folge einer völlig verfehlten und für Mugabes Günstlingswirtschaft missbrauchten Landreform. Aktuell hat sich die Lage zusätzlich verschärft, weil die heftigen Regenfälle und Überschwemmungen Ende 2007 viele der verbliebenen Anbauflächen zerstört haben.
Mitgliedsausweis als Lebensversicherung
Ironischerweise ist gerade der Mangel an Nahrungsmitteln in der Vergangenheit einer der Gründe für die Wahlerfolge Mugabes gewesen. Organisationen wie das Zimbabwe Peace Project sammeln seit Jahren Beweise dafür, dass Getreidelieferungen und andere Hilfsgüter nach politischen Kriterien vergeben werden. In Simbabwe ist es ohnehin eine Binsenweisheit, dass man nur mit einem ZANU-PF Mitgliedsausweis auf die Listen für die Hilfslieferungen kommt. In diesem System spielen die „Chiefs“, die traditionellen Oberhäupter in den Dörfern, eine wichtige Rolle. Sie profitieren durch Lieferungen (Traktoren, Saatgut etc.) von ihrer Loyalität zur Regierungspartei. Im Gegenzug stellen sie sicher, dass im Dorf „korrekt“ gewählt wird. Obwohl es auf dem Land wahrscheinlich noch eine hohe Anzahl überzeugter ZANU-PF-Anhänger gibt – sei es wegen der erfolgreichen Regierungspropaganda, sei es aus Dankbarkeit für die Befreiung von der Unterdrückung durch das rassistische Regime Ian Smiths – sind sich viele Beobachter darin einig, dass Mugabe ohne seine Günstlingswirtschaft die Wahlen kaum noch gewinnen könnte.
Der Präsident ist sich offensichtlich der Gefahr bewusst, auch die Unterstützung der Landbevölkerung zu verlieren. Dies wäre fast gleichbedeutend mit einer Wahlniederlage, denn die Städte – vor allem die beiden größten Städte des Landes, Harare und Bulawayo – waren in den vergangenen Jahren Hochburgen der Opposition. Mitte März, zwei Wochen vor den Wahlen, wurden von Mugabe medienwirksam landwirtschaftliche Geräte, Fahrzeuge und Vieh präsentiert, die an lokale Farmer verteilt werden sollten. Wer die Empfänger dieser Lieferungen waren, wurde nicht offen gelegt. Der Mehrheit der Bevölkerung nützen Aktionen dieser Art natürlich ohnehin nicht. Und eine Verzögerung von Nahrungsmittellieferungen aus Sambia könnte den PR-Effekt für den Präsidenten schmälern.
Klima der Angst
In den Städten wie auch in ländlichen Gegenden versucht die Opposition, Wahlkampf zu führen. Das wird ihr jedoch nicht leicht gemacht. Veranstaltungen des Movement for Democratic Change (MDC) werden regelmäßig von der Polizei verboten, ihre Anhänger misshandelt und verhaftet. Schon das Aufhängen von Wahlplakaten kann schnell in einem Spießrutenlauf enden. Allein im Januar 2008 hat das Zimbabwe Human Rights Forum mehr als 300 Menschenrechtsverletzungen registriert, die in direktem Zusammenhang mit den Wahlen stehen.
Das Klima der Angst, das so von staatlichen Sicherheitskräften geschaffen wird, steht im krassen Widerspruch zu den Vereinbarungen, die bei Gesprächen zwischen Regierung und Opposition in Südafrika erzielt worden waren. In diesen Gesprächen, die von der Southern African Development Community (SADC – der Entwicklungsgemeinschaft der Staaten des südlichen Afrika) initiiert und von dem südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki geleitet worden waren, hatten sich Vertreter des MDC und der ZANU-PF auf einen Kompromiss geeinigt, der im günstigen Fall beiden Seiten genützt hätte. Die Opposition hatte einer Verfassungsänderung zugestimmt, von der in erster Linie Mugabe und seine ZANU-PF profitieren. So wurde beispielsweise die Anzahl der Wahlkreise vor allem in ländlichen Regionen erhöht, also in den ZANU-PF-Hochburgen. Außerdem darf nach der Verfassungsänderung das Parlament den Nachfolger eines Präsidenten wählen, der während seiner laufenden Amtszeit abtritt. Diese Regelung würde es dem betagten Mugabe (84) erlauben, ohne Neuwahlen einen Nachfolger zu bestimmen und vom Parlament abnicken zu lassen. Die Opposition hat dieser Verfassungsänderung zugestimmt, weil sie im Gegenzug die Zusage erhielt, die strengen Versammlungs- und Mediengesetze würden gelockert. Dieser Deal hätte es ihr erlaubt, einen halbwegs „normalen“ Wahlkampf zu führen. Dass diese Rechnung nicht aufgegangen ist, zeigen die gewalttätigen Übergriffe, die sich zurzeit am Rande fast jeder Oppositionsveranstaltung abspielen. In den Augen der simbabwischen Zivilgesellschaft haben sich sowohl der MDC als auch die südafrikanischen Vermittler bei den Verhandlungen von Mugabe über den Tisch ziehen lassen.
Die gespaltene Opposition
Das größte Handikap des MDC ist jedoch seine innere Zerstrittenheit. Die Partei, die seit 2005 in zwei Fraktionen aufgespalten ist, hat es trotz mehrfacher Anläufe nicht vermocht, sich vor den diesjährigen Wahlen zu vereinen – was ihre Chancen, gegen die ZANU-PF zu gewinnen, erheblich verbessert hätte. Der größere MDC-Flügel, geleitet von dem ehemaligen Gewerkschaftsführer Morgan Tsvangirai, hat seine Hochburg in der Hauptstadt Harare. Der kleinere Flügel wird von Arthur Mutambara angeführt und dominiert vor allem in der Stadt Bulawayo und in der Region Matabeleland – einer Region, in der traditionell für die Opposition gestimmt wird. Hier hatte Mugabe schon in den 1980er Jahren jeglichen Widerstand gegen seine Herrschaft grausam niedergeschlagen.
Dass es diese beiden Flügel des MDC trotz der aktuellen politischen Krise nicht geschafft haben, ihre Differenzen zu überwinden, hat viele Wähler frustriert. Auch wenn die Spaltung innerhalb des MDC historische und ethnische Wurzeln hat, scheiterte die Vereinigung an der Frage einer gemeinsamen Kandidatenliste – also am Postengerangel zukünftiger und aktueller Amtsinhaber. Programmatische Differenzen standen in den Diskussionen nicht im Vordergrund, wenngleich der Mutambara-Flügel als wirtschaftspolitisch liberaler gilt als der gewerkschaftsnahe Tsvangirai-Flügel. Die Spaltung der Partei führt dazu, dass in einigen Wahlkreisen Kandidaten beider MDC-Flügel gegeneinander antreten und damit die Stimmen der Opposition aufspalten – in einem Mehrheitswahlsystem, in dem es nur einen Sieger pro Wahlkreis gibt, eine fatale Situation. Daher galt die Wahl für viele Sympathisanten der Opposition auch schon als verloren – bis Anfang Februar Simba Makoni erklärte, er werde für das Präsidentenamt kandidieren.
Obwohl auch bei den Präsidentschaftswahlen jeder weitere Gegenkandidat die Stimmen der Opposition zunächst aufspaltet, könnte die Kandidatur Makonis dazu führen, dass Mugabe im ersten Wahlgang nicht die absolute Mehrheit erhält, die er laut Verfassung benötigt, um als Präsident wiedergewählt zu werden. Sollten sich einige ZANU-PF-Wähler für Makoni entscheiden und so den Anteil der Oppositionsstimmen insgesamt erhöhen, wäre es tatsächlich möglich, dass Mugabe in einen zweiten Wahlgangs gehen muss. Der Ausgang eines solchen wäre kaum vorhersagbar, und Morgan Tsvangirai könnte als Oppositionskandidat eine realistische Chance haben, wenn im zweiten Wahlgang die Makoni-Wahler in sein Lager wechselten. Ob Mugabe allerdings einen zweiten Wahlgang überhaupt akzeptieren würde oder in diesem Fall eine einfache Mehrheit als Wahlsieg „deuten lassen“ würde, bleibt dahingestellt.
Wird es zu einer Stichwahl kommen?
Ganz unabhängig davon, ob tatsächlich das kleine Wunder eintreten sollte, dass Mugabe trotz der Wahlmanipulationen, der Chancenungleichheit im Wahlkampf und seiner Günstlingswirtschaft zumindest die Präsidentschaftswahlen verliert – allein die Kandidatur Simba Makonis hat die politische Landschaft Simbabwes bereits verändert. Dass ein langjähriger Weggefährte Mugabes und ehemaliger Minister der ZANU-PF-Regierung es wagt, sich gegen den Willen des Präsidenten zum Kandidaten zu erklären, hat einen politischen Ruck ausgelöst.
Es scheint, als würde sich das Land langsam aus der Umklammerung seines Diktators lösen. So treten plötzlich in einigen Wahlkreisen „unabhängige“ Kandidaten aus der ZANU-PF gegen die offiziell von der Partei gewählten Kandidaten an – dieser Ungehorsam wäre in der Vergangenheit undenkbar gewesen. Auch die Wahlkampfveranstaltungen des MDC haben seit Makonis Kandidatur erheblich mehr Zulauf – plötzlich kommen wieder Tausende, nicht mehr nur ein paar Hundert.
Dass die Regierung angeschlagen ist, scheint vielen, die bis vor kurzem völlig hoffnungslos waren und sich lieber um ihr tägliches Überleben gekümmert haben, einen Schub gegeben zu haben. Aber dieser neue Enthusiasmus kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die Opposition der landesweiten Organisationsstruktur und PR-Maschinerie der ZANU-PF nur wenig entgegensetzen kann. Simba Makoni hat sich wohl zu spät zu seiner Kandidatur durchgerungen, um landesweit eine Art „Reform-ZANU-PF“ innerhalb der alten Parteistrukturen zu etablieren. Das MDC schafft es nicht, sich als einheitliche Alternative zu präsentieren. Es spricht also vieles dafür, dass die ZANU-PF mit Mugabe es auch zum sechsten Mal in Folge schafft, die Wahl zu gewinnen. Aber der Widerspruch aus den eigenen Reihen ist so groß und das Selbstbewusstsein der Opposition so gestärkt, dass die Regierung nach den Wahlen um echte Reformen kaum herumkommen wird – ob mit oder ohne „dem alten Mann“.
Dr. Antonie Nord
Leiterin des Büros Südliches Afrika der Heinrich-Böll-Stiftung, Kapstadt